Was ist eine Patientenverfügung?
Eine Patientenverfügung ist eine schriftliche Willenserklärung, in der Sie festlegen, welche medizinischen Behandlungen Sie wünschen oder ablehnen, falls Sie selbst nicht mehr entscheidungsfähig sind.
Rechtliche Grundlage
Seit 2009 ist die Patientenverfügung in §1827 BGB (früher §1901a) gesetzlich geregelt:
"Eine schriftliche Patientenverfügung ist verbindlich, wenn sie auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutrifft."
Wichtige Eigenschaften
- Schriftform erforderlich: Muss eigenhändig unterschrieben sein
- Keine Altersgrenze: Ab Volljährigkeit möglich
- Jederzeit widerrufbar: Auch mündlich oder durch Gesten
- Unbefristete Gültigkeit: Gilt, bis Sie sie widerrufen
- Bindend für Ärzte: Bei klarer Formulierung
Was die Patientenverfügung NICHT ist
- Keine Sterbehilfe-Erklärung (aktive Sterbehilfe bleibt verboten)
- Kein Testament (regelt keine Erbschaft)
- Keine Vorsorgevollmacht (regelt keine Stellvertretung)
- Kein Organspendeausweis (separates Dokument)
Warum ist eine Patientenverfügung wichtig?
Ohne Patientenverfügung müssen Ärzte und Angehörige in Ihrem Sinne entscheiden - oft unter großem Druck und Unsicherheit.
Typische Szenarien ohne Patientenverfügung
- Unfall mit Koma: Soll die künstliche Beatmung fortgesetzt werden?
- Schwerer Schlaganfall: Lebensverlängernde Maßnahmen ja/nein?
- Demenz im Endstadium: Künstliche Ernährung bei Schluckstörung?
- Herzstillstand: Wiederbelebung mit möglichen Folgeschäden?
Die Belastung für Angehörige
Ohne klare Verfügung müssen Ihre Liebsten:
- Im Krankenhaus unter Zeitdruck entscheiden
- Möglicherweise unterschiedliche Meinungen koordinieren
- Mit Schuldgefühlen leben: "War es richtig?"
- Eventuell gerichtliche Genehmigung einholen
Statistiken zur Patientenverfügung
- Ca. 45% der Deutschen haben eine Patientenverfügung
- 70% davon sind zu ungenau formuliert
- 90% der Ärzte halten eine Verfügung für wichtig
- Nur 30% der Verfügungen wurden mit einem Arzt besprochen
Mit Patientenverfügung
✓ Ihre Wünsche sind klar dokumentiert ✓ Angehörige werden entlastet ✓ Ärzte haben eine rechtliche Grundlage ✓ Keine Überbehandlung gegen Ihren Willen ✓ Mehr Sicherheit für alle Beteiligten
Welche Situationen sollten Sie regeln?
Eine wirksame Patientenverfügung beschreibt konkrete Situationen, für die sie gelten soll.
Häufig geregelte Situationen
1. Unmittelbarer Sterbeprozess
- Letzte Lebensphase einer unheilbaren Erkrankung
- Stunden bis wenige Tage bis zum Tod
- Fokus auf Schmerzlinderung und Würde
2. Dauerhaft bewusstlos (Wachkoma)
- Schwere Hirnschädigung ohne Bewusstseinszeichen
- Keine Chance auf Wiedererlangung des Bewusstseins
- Frage der Weiterbehandlung über Monate/Jahre
3. Schwerste Demenz im Endstadium
- Keine Kommunikation mehr möglich
- Vollständige Pflegebedürftigkeit
- Kein Erkennen von Angehörigen
4. Andere schwere Gehirnschädigungen
- Nach Schlaganfall mit schweren Folgen
- Nach Unfall mit irreversiblen Schäden
- Schwere psychiatrische Erkrankungen
Konkrete Formulierungen
Statt: "Wenn mein Zustand aussichtslos ist..."
Besser: "Wenn ich mich nach ärztlicher Einschätzung unabwendbar im unmittelbaren Sterbeprozess befinde, auch wenn der Todeszeitpunkt noch nicht absehbar ist..."
Tipp: Ärztliche Beratung
Besprechen Sie die Situationen mit Ihrem Hausarzt:
- Medizinische Fachbegriffe klären
- Realistische Szenarien verstehen
- Individuelle Gesundheitsrisiken berücksichtigen
Welche Behandlungen können Sie festlegen?
Für jede Situation können Sie einzelne Behandlungen wünschen oder ablehnen:
Lebenserhaltende Maßnahmen
| Maßnahme | Wünschen | Ablehnen |
|---|---|---|
| Wiederbelebung (Reanimation) | □ | □ |
| Künstliche Beatmung | □ | □ |
| Künstliche Ernährung (Magensonde) | □ | □ |
| Künstliche Flüssigkeitszufuhr | □ | □ |
| Dialyse (Blutwäsche) | □ | □ |
| Antibiotika bei Infektionen | □ | □ |
| Bluttransfusionen | □ | □ |
Palliative Maßnahmen (Linderung)
Diese sollten Sie in der Regel wünschen:
- Schmerzbekämpfung (auch wenn lebensverkürzend)
- Linderung von Atemnot
- Linderung von Übelkeit
- Pflege und menschliche Zuwendung
- Stillung von Hunger und Durst (natürlich)
Wichtige Unterscheidung
Passive Sterbehilfe (erlaubt):
- Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen
- Behandlungsabbruch auf Wunsch
Indirekte Sterbehilfe (erlaubt):
- Schmerzbehandlung, auch wenn sie Leben verkürzt
Aktive Sterbehilfe (verboten):
- Gezielte Tötung (auch auf Verlangen)
Spezielle Situationen
- Organspende: Separate Erklärung (Organspendeausweis)
- Schwangerschaft: Besondere Regelung möglich
- Religiöse Überzeugungen: Können berücksichtigt werden
Formulierungen, die Ärzte verstehen
Je präziser Ihre Formulierungen, desto besser können Ärzte Ihren Willen umsetzen.
Problematische Formulierungen
❌ "Wenn alles aussichtslos ist..." → Wann ist "alles" aussichtslos?
❌ "Keine lebenserhaltenden Maßnahmen..." → Ist Schmerzmedikation lebenserhaltend?
❌ "In Würde sterben..." → Was bedeutet Würde konkret?
❌ "Keine sinnlosen Behandlungen..." → Was ist sinnlos aus Ihrer Sicht?
Bessere Formulierungen
✓ Situation konkret beschreiben: "Wenn ich nach ärztlicher Einschätzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit trotz Ausschöpfung aller medizinischen Möglichkeiten das Bewusstsein niemals wiedererlangen werde..."
✓ Maßnahme konkret benennen: "...wünsche ich, dass eine bereits eingeleitete künstliche Beatmung eingestellt wird."
✓ Schmerz- und Symptomlinderung: "Ich wünsche ausdrücklich eine fachgerechte Schmerz- und Symptombehandlung, selbst wenn diese als Nebenwirkung mein Leben verkürzen könnte."
Medizinische Fachbegriffe
| Laien-Begriff | Fachbegriff |
|---|---|
| Magensonde | PEG-Sonde (perkutane endoskopische Gastrostomie) |
| Wiederbelebung | Kardiopulmonale Reanimation (CPR) |
| Blutwäsche | Dialyse / Hämodialyse |
| Beatmungsgerät | Maschinelle Beatmung / Respirator |
| Ernährung über Vene | Parenterale Ernährung |
Ist die Patientenverfügung für Ärzte bindend?
Ja, grundsätzlich ist eine Patientenverfügung verbindlich - aber nur unter bestimmten Voraussetzungen.
Voraussetzungen für Verbindlichkeit
- Schriftform: Muss schriftlich vorliegen und unterschrieben sein
- Einwilligungsfähigkeit: Bei Erstellung muss man einwilligungsfähig gewesen sein
- Konkrete Situation: Muss auf die aktuelle Situation zutreffen
- Kein Widerruf: Darf nicht widerrufen worden sein
Wann ist die Verfügung NICHT bindend?
- Zu allgemein formuliert: "Keine Apparatemedizin" reicht nicht
- Situation nicht erfasst: Verfügung trifft nicht auf aktuellen Fall zu
- Anhaltspunkte für Sinneswandel: Neuere mündliche Äußerungen
- Zweifel an Einwilligungsfähigkeit: Bei Erstellung
Was passiert bei Unklarheit?
- Bevollmächtigter prüft: Trifft die Verfügung zu?
- Arzt prüft: Medizinische Einordnung
- Bei Unstimmigkeit: Betreuungsgericht entscheidet
- Im Zweifel: Behandlung zunächst fortführen
Die Rolle des Bevollmächtigten
Deshalb ist eine Vorsorgevollmacht ergänzend so wichtig:
- Der Bevollmächtigte kann die Verfügung auslegen
- Er spricht mit Ärzten in Ihrem Sinne
- Er setzt Ihren Willen durch, falls nötig
Strafrechtliche Absicherung
Ärzte, die sich an Ihre Verfügung halten:
- Handeln nicht rechtswidrig
- Begehen keine Straftat
- Sind durch Ihren dokumentierten Willen geschützt
Wo sollten Sie die Verfügung aufbewahren?
Die beste Patientenverfügung nützt nichts, wenn sie im Notfall nicht gefunden wird.
Aufbewahrungsorte
Empfohlen:
- Bei der bevollmächtigten Person
- Zu Hause an bekanntem Ort
- Im Portemonnaie (Hinweiskarte)
- Beim Hausarzt (Kopie)
Nicht empfohlen:
- Banksafe (nicht erreichbar im Notfall!)
- Versteckte Orte
- Nur digital auf dem Computer
Hinweiskärtchen
Tragen Sie eine Hinweiskarte im Portemonnaie:
"Ich habe eine Patientenverfügung. Aufbewahrungsort: [Adresse/Ort] Bevollmächtigt: [Name, Telefon] Hausarzt: [Name, Telefon]"
Digitale Registrierung
Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer:
- Online: www.vorsorgeregister.de
- Kosten: ca. 18,50 € (mit Patientenverfügung +3 €)
- Krankenhäuser können Existenz prüfen
Gesundheitskarte (geplant):
- Elektronische Patientenakte (ePA)
- Patientenverfügung zukünftig hinterlegbar
Wer sollte informiert sein?
- Bevollmächtigte Person
- Enge Angehörige
- Hausarzt
- Ggf. Pflegedienst
- Ggf. Pflegeheim
Regelmäßig aktualisieren
Eine Patientenverfügung sollte nicht einmal erstellt und dann vergessen werden.
Wann sollten Sie aktualisieren?
Regelmäßig (alle 1-2 Jahre):
- Datum und Unterschrift erneuern
- Zeigt: "Ich stehe weiterhin zu meinem Willen"
- Erhöht die Akzeptanz bei Ärzten
Bei Änderungen:
- Neue Diagnose / Erkrankung
- Änderung der Lebensumstände
- Andere Einstellung zu Leben und Sterben
- Neue medizinische Möglichkeiten
Nach Lebensereignissen:
- Heirat oder Scheidung
- Geburt von Kindern
- Tod des Bevollmächtigten
- Religiöse Entwicklung
So aktualisieren Sie
Einfache Bestätigung:
"Ich bestätige hiermit meine Patientenverfügung vom [Datum]. Mein Wille hat sich nicht geändert."
[Ort, Datum, Unterschrift]
Änderung:
- Am besten: Neue Verfügung erstellen
- Alte Verfügung vernichten
- Alle Kopienempfänger informieren
Widerruf
Sie können Ihre Verfügung jederzeit widerrufen:
- Schriftlich oder mündlich
- Auch durch eindeutige Gesten
- Sogar bei eingeschränkter Geschäftsfähigkeit
Digitale Erinnerung
- Kalendereintrag: "Patientenverfügung prüfen"
- Jährlich zum Geburtstag
- Bei wichtigen Arztterminen
Kombination mit Vorsorgevollmacht
Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht ergänzen sich ideal - wir empfehlen beide Dokumente.
Warum beide Dokumente?
Patientenverfügung allein:
- Gilt nur für medizinische Entscheidungen
- Keine Stellvertretung im Alltag
- Auslegung bei Unklarheit schwierig
Vorsorgevollmacht allein:
- Bevollmächtigter muss Ihren Willen erraten
- Keine verbindliche Anweisung
- Mehr Verantwortung beim Bevollmächtigten
Beide zusammen:
- Patientenverfügung = Ihr Wille
- Vorsorgevollmacht = Wer durchsetzt
So arbeiten sie zusammen
- Sie werden bewusstlos eingeliefert
- Krankenhaus prüft: Vorsorgevollmacht vorhanden?
- Bevollmächtigter wird informiert
- Arzt und Bevollmächtigter prüfen Patientenverfügung
- Trifft Situation zu? → Verfügung wird umgesetzt
- Trifft nicht zu? → Bevollmächtigter entscheidet in Ihrem Sinne
In der Patientenverfügung erwähnen
Verweisen Sie auf die Vorsorgevollmacht:
"Ergänzend zu dieser Patientenverfügung habe ich eine Vorsorgevollmacht zugunsten von [Name] erteilt, die auch Gesundheitsangelegenheiten umfasst."
In der Vorsorgevollmacht erwähnen
Verweisen Sie auf die Patientenverfügung:
"Bei Entscheidungen über medizinische Behandlungen ist meine Patientenverfügung vom [Datum] zu beachten."
Aufbewahrung zusammen
- Beide Dokumente zusammen aufbewahren
- Kopien an alle relevanten Stellen
- Bevollmächtigter kennt beide Dokumente
Muster-Vorlage mit Erklärungen
Hier finden Sie eine Übersicht der wesentlichen Elemente einer Patientenverfügung:
Aufbau einer Patientenverfügung
1. Einleitung (Ihre Daten)
- Vollständiger Name
- Geburtsdatum
- Adresse
- Optional: Verweis auf Vorsorgevollmacht
2. Eingangsformel
"Für den Fall, dass ich meinen Willen nicht mehr bilden oder verständlich äußern kann, bestimme ich:"
3. Situationen beschreiben
- Sterbeprozess
- Dauerbewusstlosigkeit
- Schwere Demenz im Endstadium
- Weitere für Sie relevante Situationen
4. Behandlungswünsche Für jede Situation:
- Lebenserhaltende Maßnahmen
- Schmerz- und Symptombehandlung
- Ort der Behandlung (Krankenhaus/Zuhause)
5. Wertvorstellungen
- Was macht Ihr Leben lebenswert?
- Religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen
- Persönliche Grenzziehungen
6. Schlussformeln
- Hinweis auf Organspende (falls gewünscht)
- Bestätigung der Freiwilligkeit
- Datum und eigenhändige Unterschrift
Kostenloser Generator
Mit unserem Patientenverfügungs-Generator erstellen Sie Ihr persönliches Dokument:
- Persönliche Daten eingeben
- Situationen auswählen
- Behandlungswünsche festlegen
- Werte formulieren
- PDF herunterladen
Checkliste nach dem Erstellen
- Dokument sorgfältig durchlesen
- Eigenhändig unterschreiben
- Datum nicht vergessen
- Mit Bevollmächtigtem besprechen
- Hausarzt informieren
- Kopien verteilen
- Sicher aufbewahren
- Hinweiskarte im Portemonnaie
Häufige Fragen zur Patientenverfügung
Muss eine Patientenverfügung notariell beglaubigt sein?
Nein. Eine Patientenverfügung ist auch ohne Notar gültig. Sie muss nur:
- Schriftlich sein
- Eigenhändig unterschrieben sein
- Von einer einwilligungsfähigen Person stammen
Eine notarielle Beglaubigung kann aber die Akzeptanz erhöhen.
Was kostet eine Patientenverfügung?
| Variante | Kosten |
|---|---|
| Selbst erstellt (unser Generator) | Kostenlos |
| Ärztliche Beratung | 30-80 € |
| Notarielle Beglaubigung | 20-50 € |
| Registrierung | Ca. 3 € zusätzlich |
Kann ich bestimmen, dass ich immer behandelt werden möchte?
Ja. Sie können auch festlegen:
- "Ich möchte alle medizinisch sinnvollen Maßnahmen"
- "Bitte unternehmen Sie alles, um mein Leben zu erhalten"
Gilt meine Verfügung auch bei Depressionen oder Suizidgedanken?
Eine Patientenverfügung gilt für körperliche Erkrankungen. Bei psychischen Krisen:
- Ärzte müssen lebensrettend behandeln
- Verfügung wird ggf. nicht angewendet
- Separate psychiatrische Vorausverfügung möglich
Was ist mit Alzheimer/Demenz?
Sie können festlegen, was bei fortgeschrittener Demenz geschehen soll:
- Ab welchem Stadium gilt die Verfügung?
- Welche Behandlungen lehnen Sie ab?
- Wichtig: Frühe Stadien sind oft noch erfülltes Leben!
Kann ich meine Meinung später ändern?
Ja, jederzeit. Selbst wenn Sie nicht mehr einwilligungsfähig sind:
- Aktuelle Willensäußerungen haben Vorrang
- Auch nonverbale Zeichen zählen
- Bevollmächtigter muss dies beachten
Was passiert, wenn Arzt und Familie uneins sind?
- Bevollmächtigter entscheidet zunächst
- Arzt muss medizinisch beraten
- Bei Uneinigkeit: Betreuungsgericht
- Gericht prüft: Was wollte der Patient?